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Fürstenhaus Hessen-Rotenburg 1627 - 1834
(Rotenburger Quart)

Die fürstliche Familie Hessen-Rotenburg

Landgraf Moritz von Hessen-Kassel beschloß nach dem Tode seiner Gemahlin Agnes von Solms-Laubach 1602, sich wieder zu verheiraten. 1603 ehelichte er die gerade sechzehn Jahre alte Juliane von Nassau-Dillenburg. Nach zwei Söhnen und zwei Töchtern aus erster Ehe kamen nun bis 1628 noch sieben Söhne und sieben Töchter hinzu. Juliane machte sich mit den Jahren Gedanken über die standesgemäße Versorgung ihrer Nachkommen und erreichte bei Moritz die Einwilligung, daß in Anlehnung an die im Hause Hessen geltende Erbteilung ihren Nachkommen ein Viertel Hessens, daher der Name Quart, übertragen werde. Es wurde jedoch festgelegt, daß die Quart weiterhin unter Kasseler Oberhoheit bleiben werde.

Nach dem Rücktritt des Landgrafen Moritz 1627 und der Amtsübernahme durch seinen Sohn Wilhelm V. trat der Teilungsvertrag in Kraft. Juliane bezog 1629 mit ihren Kindern ihre neue Residenz Rotenburg, nachdem die Untertanen den Eid auf die neue Herrschaft abgelegt hatten. Die sogenannte Rotenburger Quart umfaßte neben der Residenz noch Stadt, Amt und Schloß Eschwege, Stadt und Amt Sontra, die Gerichte Bilstein und Germerode (beide bei Witzenhausen), Stadt und Amt Wanfried, das hessische Drittel von Treffurt, die Stadt Witzenhausen, Burg und Amt Ludwigstein und die Herrschaft Plesse (nördlich Göttingen) mit dem Amt Gleichen.

Nach dem Westfälischen Frieden 1648 fielen aus den hessischen Erwerbungen noch Schloß und Amt Rheinfels mit St. Goar, St. Goarshausen, Burg Neukatzenelnbogen und das Amt Hohenstein mit Bad Schwalbach an Hessen-Rotenburg. In dieser Zeit ist der Hausname Hessen-Rheinfels-Rotenburg üblich. Diese Landesteile wurden 1754 an Hessen-Kassel zurückgegeben und dafür die Einführung der Primogenitur (Nachfolge durch den Erstgeborenen statt der in Hessen üblichen Erbteilung) im Hause Hessen-Rotenburg eingehandelt.

Für Rotenburg war diese Beförderung zur "Hauptstadt" ein wichtiger wirtschaftlicher Impuls. Das Leben bei Hofe und die Einrichtung einer Landesverwaltung brachte auch Leben und Honoratioren in die Stadt, beschäftigte die Handwerker und Händler, gab Arbeit und Lohn. Zunächst jedoch wurde das Hochgefühl jäh unterbrochen, als der Hofstaat 1631 vor umherziehenden Kriegstruppen nach Kassel fliehen mußte. Landgräfin Juliane kam bis zu ihrem Tod 1643 nicht nach Rotenburg zurück.

Die landgräfliche Familie Hessen-Rotenburg

Eine umfassende genealogische Beschreibung des Hauses Hessen-Rotenburg würde das Ausmaß eines eigenen Buches einnehmen. Es kann daher nur auf die regierenden Fürsten und einige weitere herausragende Persönlichkeiten eingegangen werden.

(1) Landgraf Hermann (1607 - 1658); Landesherr ab 1627

Mit der Einrichtung der Quart 1627 übernahm Landgraf Hermann in Rotenburg die Regentschaft. In erster Ehe war er seit 1634 mit Sophie Juliane von Waldeck (gestorben 1637), in zweiter Ehe seit 1642 mit Juliane Kunigunde von Anhalt verheiratet. Beide Ehen blieben kinderlos. Hermann und Kunigunde sind in der Stiftskirche beigesetzt. Landgraf Hermann mußte wegen einer Fußverkrüppelung lebenslang einen Eisenfuß tragen. Seine Stärken bildeten sich daher nicht auf dem kämpferischen, sondern auf dem gelehrsamen Gebiet heraus. Er war ein anerkannter Forscher seiner Zeit in den Bereichen Meteorologie, Mathematik, Astronomie und Geographie. Seine "Beiläufige Cosmographische Beschreibung des Niederfürstentums Hessen" von 1641 zählt zu den hessischen Standardwerken der Landeskunde. Die im Kriegsjahr 1637 zerstörte Rotenburger Schule ließ er 1651 auf seine Kosten in der Löbergasse 2 neu errichten, wie die Inschrift am Haus bezeugt.

Nach dem Hinzugewinn weiterer Gebiete 1648 wurden die inzwischen erwachsenen Brüder Hermanns nach dem Recht der Erbteilung ebenfalls in der Quart als regierende Fürsten eingesetzt. Friedrich erhielt Eschwege und Ernst Rheinfels. 1655 fiel Eschwege nach dem Tod des erbenlosen Friedrich an Rheinfels, 1658 erbte Ernst nach dem Tod seines kinderlosen Bruders Hermann auch den Teil Rotenburg.

(2) Landgraf Ernst (1623 - 1693); Landesherr ab 1658

Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels, der Bruder des ersten Rotenburger Landesherren Hermann, erbte also nach dem Tod des kinderlosen Bruders den Quart-Teil Rotenburg und nannte sich fortan von Hessen-Rheinfels-Rotenburg. In erster Ehe war er seit 1647 mit Marie Eleonore von Solms verheiratet. Nach deren Tod 1689 heiratete er Alexandrine Dürnitzel, die Tochter eines Unteroffiziers aus Augsburg. Die Landgrafschaft Hessen-Rheinfels-Rotenburg wurde 1693 für seine Söhne aus erster Ehe Carl (Hessen-Wanfried mit Eschwege und Rheinfels) und Wilhelm (Hessen-Rotenburg) geteilt. Ernst zählt zu den begabtesten von Julianes Kindern. Er tat sich im Dreißigjährigen Krieg als Soldat hervor.

(3) Landgraf Wilhelm (1648-1725); Landesherr ab 1693

Wilhelm wurde nach dem Tod seines Vaters Ernst Landesherr in einer Hälfte der Quart mit Sitz in Rotenburg. Seine Nachkommen stellen in direkter Linie die folgenden Landesherren in Rotenburg, ab seinem Enkel Constantin wieder in der gesamten Quart.Er heiratete 1669 Maria Anna von Löwenstein-Wertheim und überlebte sie (gest. 1688) um fast vierzig Jahre (gest. 1725). Aus dieser Ehe gingen acht Kinder hervor. Erst das Jüngste war der ersehnte Nachfolger.

(4) Landgraf Ernst II. Leopold (1684-1749); Landesherr ab 1725

Ernst Leopold übernahm von seinem Vater die Regierung in der Rotenburger Hälfte der Quart. In der Wanfrieder Hälfte regierte zunächst sein Vetter Wilhelm, nach dessen Tod ab 1731 dessen Stiefbruder Christian. Ernst Leopold heiratete 1704 Eleonore Maria Anna von Löwenstein-Wertheim. Von 6 Töchtern und 4 Söhnen sind neben dem Erben Constantin noch drei weitere Kinder zu erwähnen. Caroline, geboren 1714, wurde 1728 mit dem 22 Jahre älteren Witwer Herzog Ludwig Heinrich von Bourbon-Condé, Premierminister unter dem französischen König Ludwig XV., verheiratet. Ihr Urenkel ist der 1804 durch Napoleon zum Tod verurteilte bekannte Kaisergegner Ludwig Herzog von Enghien. Polyxena, geboren 1706, heiratete 1724 den Kronprinzen Carl Emanuel von Piemont-Sardinien und wurde an seiner Seite 1730 Königin von Sardinien (Hauptstadt Turin). Unglücklicherweise starb sie schon 1735. Ihre Urenkelin Maria Anna wurde 1831 die Frau des österreichischen Kaisers Ferdinand I. Christine (1717-1778), die jüngste Schwester von Polyxena, heiratete 1740 den Prinzen Louis von Savoyen-Carignan und wurde die Stammutter des 1861 auf den Thron gekommenen italienischen Königshauses.

(5) Landgraf Constantin (1716-1778); Landesherr ab 1749

Unter Constantin fiel 1755 der Landesteil Hessen-Wanfried nach dem Aussterben dieser Linie an Rotenburg zurück. Die seit 1648 geteilte Quart war nun wieder in einer Hand und blieb nach der 1754 durchgesetzten Primogenitur auch künftig ungeteilt. Constantin heiratete 1745 Marie Eva Sophie von Starhemberg, Witwe des Fürsten Wilhelm von Nassau-Siegen. Nach deren Tod 1773 heiratete er auf Schloß Wildeck 1775 die französische Grafentochter Johanna Henriette von Bombelles. Sie führte den vom Kaiser autorisierten Titel einer Gräfin von Reichenberg. Das erste Kind aus seiner ersten Ehe, Emanuel, wurde sein Erbe. Carl Constantin, sein 1752 geborener Sohn, ist durch seine schwärmerische Unterstützung der französischen Revolution bekannt geworden. 1794 wurde er als Generalleutnant aus dem französischen Heer ausgestoßen. Er nannte sich danach Citoyen (franz.: Bürger) Hesse oder Charles Hesse. 1788 bis 1810 gab er die Zeitschrift "Le Partisan" heraus. Er starb 1821 verarmt in Frankfurt/Main. Wilhelm Neuhaus hat den absonderlichen Lebenslauf in seiner Geschichte "Der Jakobinerprinz" verarbeitet.

(6) Landgraf Emanuel (1746-1812); Landesherr ab 1778

Als Pate konnte sein Onkel König Karl Emanuel III. von Sardinien gewonnen werden. Er heiratete 1771 Leopoldine Marie von Lichtenstein/Böhmen und hatte mit ihr zwei Kinder. Um 1790 errichtete er an dem nach ihm benannten Emanuelsberg in Rotenburg einen Bergpark mit Pavillon.

(7) Landgraf Victor Amadeus (1779-1834); Landesherr ab 1812

Zu seiner Geburt wurde im Schloßpark eine Erle gepflanzt, die 1899 noch stand. Sein Pate war ein Onkel aus der verwandten Königsfamilie Savoyen.Victor Amadeus war das Unglück beschieden, der letzte Landgraf von Hessen-Rotenburg zu sein. In erster Ehe war er seit 1799 mit Leopoldina von Fürstenberg-Stuhlingen kinderlos verheiratet. Nach deren Tod 1806 heiratete er 1812 Elisabeth von Hohenlohe-Langenburg, die eine tote Tochter gebar. Nach dem Tod seiner zweiten Frau 1830 heiratete Victor Amadeus 1831 Eleonore von Salm-Reifferscheid-Krautheim. Auch diese Ehe blieb bis zum Tod des Landgrafen 1834 kinderlos. Damit erlosch das Haus Hessen-Rotenburg und die Quart fiel nach über 200 Jahren an Hessen-Kassel zurück.

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